Der Potsdamer Platz ist die mittigste Mitte Berlins, und trotz allem ist er das "Stück Großstadt als Experiment" geblieben, als das er ins 21.Jahrhundert gestartet wurde.
Fotografisch war die Zeit des Potsdamer Platz als "größte Baustelle Europas" in den späten 1990er Jahren nicht nur deswegen reizvoll, weil es so schön surreal war, sich zu vorzustellen, dass diese Bilder fremdartiger Landschaften aus Beton, Baustahl und Grundwasserseen "das Berliner Stadtzentrum" sein sollten. Denn selbiges stand perspektivisch hinter der Horizontlinie der Baugruben und verschwand abschnittsweise vollständig. Größenordnungen, die wahrlich opernhaft waren, und in denen sich die Arbeiter ausnahmen wie die Ameisen.
Das zweite große Thema der Fotografie bezog sich stets auf die Zielsetzung, den Potsdamer Platz als ein akzeptiertes und belebtes Stadtviertel zu zeigen. Fotografisch gesagt: "Belebte Architektur".
Bevor das große Umstrukturieren 2018 begann, kamen viele Besucher in das Viertel. Tags waren vor allem die Shopping Mall und abends die vielen Kinos, anfänglich auch das Musicaltheater sehr gut besucht. Begleitet von den vielen Aktivitäten des Eigentümers und Bauherrn, der in den Anfangsjahren sehr bemüht war, intellektuelles Gleichgewicht durch öffentliche Kultur und Kulturveranstaltungen zu schaffen, die sich erfreulich von der Eintönigkeit des allgegenwärtigen Franchise absetzten. Einige der Skulpturen der Kunstsammlung, die wie ein Kaleidoskop der ganz großen Namen zeitgenössicher Kunst waren, stehen bis heute in dem Viertel.
Abermals war zu bemerken, wie klein der Mensch in den Dimensionen des Raums auftritt. Denn obwohl die Gebäudekörper eher würfelartig erscheinen, handelt es sich durchweg um Häuser mit mindestens neun Stockwerken und der berühmten 1:2 Straßenbreite bis zur traditionellen Traufhöhe und bis zur "Stimmann-Treppe", den heute überall in Berlin anzutreffenden zurückversetzten Penthouse-Etagen. Kurz: Soll das Haus als Ganzes aufs Bild, sind die Leute auf der Straße kaum noch zu sehen, so klein sind sie.
Mit dem Schwenk der in "DaimlerChrysler AG" verwandelten "Daimler-Benz Aktiengesellschaft" zum biggest Autobauer ever, und der damit verbundenen Abkehr vom zuvor unter Edzard Reuter aufgebauten Technologie- und Dienstleistungskonzern, ging auch die Trennung von der Immobiliensparte einher.
Ganz anders als zunächst jahrelang mit etwas altmodischen "Wordings" verbreitet ("der Potsdamer Platz ist die Visitenkarte des Konzerns in Berlin"), wurden nicht nur die Immobilien abgestoßen, es verschwanden auch die Büros des Unternehmens. Die Dienstleistungstochter "debis" (DaimlerBenz Interservices) wurde stückweise verkauft, der Mercedes-Vertrieb zog ins preiswertere Friedrichshain. Vor Ort sind bis heute nur noch das Lobby-Büro und die Kunstsammlung im Weinhaus Huth.
Auch im benachbarten SONY-Center blieb nur der Name. Die Europa-Zentrale des Entertainment-Riesen ist längst ausgezogen.
Für die insgesamt rund 50% Büronutzung ergab sich daraus ein gewaltiger Prozess der Umformung. Große Einzelmieter waren schwer zu finden. Nachdem das Ensemble zunächst Teil eines Fonds der SEB Bank wurden, ist das Areal inzwischen auch schon seit einigen Jahren "Brookfield Place" geworden und wird schrittweise aber entschieden modernisiert. So ist das Gebäude der debis inzwischen an viele einzelne Nutzer vermietet, im Turm, wo einst auf Sisalböden und unter Baselitz-Orginal die Vorstandsgrößen weltweite Geschäftsnetze spannen, findet jetzt Co-Working unter nackten Glühbirnchen statt. Der Wandel der Zeit bleibt eben doch das stärkste Motiv dieses Orts.
Als Teil der Restrukturierung des ehemaligen Daimler-Areals wird seit Frühjahr 2020 die überdachte Einkaufstraße "Potsdamer Platz Arkaden" grundlegend umgebaut. Es gilt "Zurück auf Los" – die drei Etagen der 1998 eröffneten Mall werden für neue Shopping, Entertainment und Gastronomie Facilities in den Rohbau zurückversetzt.